Krass: Digitalradio endlich im Alltag angekommen!

Im Ernst? Wo? In Ihrer Küche? In Ihrer Stammkneipe? Bei Ihrem Frisör? Alles Unsinn:

  1. Radio ist analog und UKW. (Hartnäckig.)
  2. DAB+ wird bemüht beworben. (Kennen aber nur Insider.)

Also was denn nun?

  • DAB? Gestorben, bevor es wirklich zu leben anfing.
  • DAB+, das „Digitalradio“ ist das Radio der Zukunft? Zweifel sind politically incorrect. Aber mit Verlaub: Die Einführung der CD verlief a bisserl dynamischer. (Zum Rückwärtsgang in Nordeuropa geht’s hier.)
  • DVB-T? DMB? DRM? Wer blickt noch die Drei-Buchstaben-Kürzel, die alle Digitalradio verheißen?

Dabei ist die Lage doch so einfach: Digitalradio ist längst breit etabliert, wird massenhaft genutzt, erfreut sich gerade bei der Jugend großer Beliebtheit: ¡Viva Internetradio!

Gerade junge Leute hören Radio als Internetstream

Gerade junge Leute hören Radio als Internetstream

Und jetzt die Kritiker:

  • Internetradio klingt schlecht. (Dann sagt Eurem Lieblingssender, dass er einen besseren Stream schicken soll. An der Technik liegts nicht.)
  • Internetradio ist kompliziert. (Unsinn: Es gibt Internet-Küchenradios, die sind doppelt so intuitiv wie Facebook.)
  • Internetradio geht nicht mobil.

Im Ernst: Ich behaupte, dass Digitalradio längst da ist, es ist IP und es ist überall dort empfangbar, wo ein Handy klingeln kann. In meiner Stammkneipe läuft es jedenfalls. Ok, die haben einen Glasfaseranschluss und ich weiß: Es gibt Orte, da klappt Internetradio tatsächlich noch nicht so recht. Allerdings gibt’s Sendelöcher auch bei UKW und DAB+. Jede Wette: Die globale Zukunft ist Überall- und Flatrate-Internet, auch mobil – dafür sorgen die Gewinnerwartungen der Mobilfunkaktionäre, der Handyhersteller, der Internetkonzerne.

Der zentrale Internetknoten DECIX in Frankfurt transportiert alljährlich mehr Daten.

Der zentrale Internetknoten DECIX in Frankfurt transportiert alljährlich mehr Daten.

Und die Technik? Geht das überhaupt? Können Millionen Menschen über Mobilfunk Radio hören? Ja, sie können. Ein Netz, das HD-Youtube everywhere verspricht, kann Radio mit Links und TV obendrein. Auch DECIX wird nicht wegen Audio-over-IP in die Knie gehen.

Ein einziger Knackpunkt bleibt, zumindest Stand heute: Was, wenn „die letzte Meile“ zum Hörer durch die Luft gehen muss?

LTE macht es möglich

LTE nutzt drei Frequenzbereiche mit sehr unterschiedlichen Ausbreitungscharakteristika, ist dadurch sowohl in der Fläche (UHF) als auch im Ballungsraum (Femto-Zellen) traditionellem Mobilfunk überlegen. Vor allem aber:

Mobilfunk nutzt die "alten TV-Frequenzen"

Mobilfunk nutzt die „alten TV-Frequenzen“

LTE kann IP-Multicast, das macht es möglich, von einem Sender aus beliebig viele Endgeräte mit Radio und TV zu versorgen. Als Streamingtechnik via UDP-Protokoll eigentlich fast wie Rundfunk: An einem Sender „hängt“ im spanischen Valencia das Publikum eines ganzen Fußballstadions, schaut live-Reportagen, ruckelfrei und in guter Qualität. Werden die spanischen Mobilfunk-Firmen uns zeigen, wie Digitalradio geht?

  • Die Technik funktioniert, wenngleich in Valencia einem Pilotprojekt.
  • Die großen Mobilfunkfirmen sind begeistert.
  • Die Hersteller der Geräte mit den Wischoberflächen auch.

Resumée

Digitalradio ist im Alltag angekommen? Etwas kleinlaut gebe ich zu: Auch ich kann nicht in die Zukunft schauen. Wie viele „UKW-Abschalttermine“ ich schon erlebt habe, weiß ich allerdings auch nicht. So scheint mir der angedeutete Verbreitungsweg auch im Mobilbereich eine ernsthafte Betrachtung wert zu sein, die Digitalradios der Zukunft haben wir schließlich schon in der Tasche, und vor allem: LTE macht das geschilderte Verfahren wirtschaftlich. Keine Nebensächlichkeit in einer Marktwirtschaft.

<ironie> Dass es immer noch ein Medium gibt, dessen Geräte Jahrzehnte funktionieren ohne Neuanschaffungen … das kann ja nun wirklich nicht so weitergehen. </ironie>

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