re:publica-Bilanz: Mehr digitale Empathie wagen

Netzneutralität, Datenschutz und die Zukunft des digitalen Lebens – die Themen waren nicht neu, die auf der re:publica 2013 diskutiert wurden. Und trotzdem gab es immer wieder Überraschendes. Vor allem was die Technik im Veranstaltungsort anging.

 

re:publica 2013

Wenn die re:publica 2013 eines gezeigt hat, dann dass das mooresche Gesetz tatsächlich Realität ist. Noch nie waren so viele zu Deutschlands wichtigsten Netz-Treffen gekommen. Und trotzdem: Das Wlan-Netz in der STATION in Berlin funktionierte – fast ohne Probleme. In der Vergangenheit war das nicht immer so.

Das exponentielle Wachstum der digitalen Technik, und damit auch der Möglichkeiten, die diese Technik bietet, standen im Zentrum vieler Vorträge und Diskussionen auf der re:publica 2013. „Wir sind gerade erst dabei, das zweite Feld des Schachbretts zu betreten“, sagte Matthias Spielkamp – und meinte damit ein Mashup aus dem mooreschen Gesetz und der Weizenkornlegende der Schachspielerfindung. Gemeint war: Die digitale Revolution ist gerade erst gestartet, die Umwälzungen in den kommenden 10 bis 20 Jahren könnten radikaler sein, als wir es uns heute vorstellen können. Nicht nur dank der Hardware – sondern vor allem durch immer „klügere“ Algorithmen.

Auf die Euphorie folgt die Katerstimmung

Der positive Blick in die Zukunft – das hatten alle bisherigen Auflagen der re:publica gemein. Vor allem im vergangenen Jahr: Politisch hatte die „Netzgemeinde“ (was immer das auch ist) einige Erfolge zu verbuchen. Und mit der Piratenpartei, so dachten viele, seien erstmals Menschen in den politischen Diskurs eingetreten, die neue Digitalwelt verstehen würden.

Auf die Euphorie folgte die Katerstimmung. Ein fast beleidigter Unterton zog sich durch einige der Veranstaltungen. Warum nimmt uns keiner wahr? Das Netz ist mittlerweile allgegenwärtig, aber warum schaffen es Netzthemen nicht in die Diskussion der breiten Gesellschaft?

re:publica 2013

Dueck: „Mehr digitale Empathie wagen“

Selbst schuld, sagte zumindest Ex-IBM-Manager Gunter Dueck. Die digitale Boheme glaube, die richtigen Antworten auf alle drängenden Fragen zu haben, sei im Umgang aber rechthaberisch und nicht kompromissbereit.  Statt beleidigtes „ranten“ im Blog, warb Dueck für mehr Empathie in der digitalen Welt. Bevor man sich aufrege, solle man sich erst in den jeweils anderen hineinversetzen – auch im Hinblick auf die Diskussion um die Bandbreitenbegrenzung der Deutschen Telekom. „Wofür braucht man 75 GB? Ich habe mit meinem Handyvertrag 1 GB und erst einmal eine Warnung bekommen, dass ich die Grenze erreicht habe. Können Sie nicht ein wenig Telekom-empathisch sein?“ Vermutlich allerdings wird Herrn Duecks Vertrag nicht von einer Familie genutzt, die via Wohnzimmercomputer Spielfilme (in HD) oder die Mediatheken schaut. Was im Jahr 2013 nun wirklich keine Seltenheit mehr ist.

Dank #Drosselkom werden Geek-Themen salonfähig

Netzneutralität war eines der großen Themen des Treffens – wieder einmal. Denn re:publica-Mitbegründer und Netzpolitik-Aktivist Markus Beckedahl redet seit mehr als seit zehn Jahren darüber. Es scheint so, als freue er sich fast über die Ankündigung der Telekom. Denn dadurch werde das Thema plötzlich auch in Geek-fernen Schichten diskutiert.  Aber auch die Geeks kamen auf ihre Kosten, unter anderem beim Panel zu „Neutral Exchanges“ und nicht-staatliche IXPs.

Selbstbefreiung der Daten

Der Kampf für ein möglichst offenes und freies Internet stand zudem bei dem überraschenden Vortrag von Sascha Lobo im Mittelpunkt. Zwar hatte er bereits auf der re:publica 2012 dafür geworben, die eigenen kreativen Inhalte nicht in abgeschlossenen Silos wie Facebook oder Twitter zu versenken, sondern sie lieber offen auf dem eigenen Blog zu publizieren. Aber diesmal wurde es konkreter: Zusammen mit Felix Schwenzel stellte Lobo „Reclaim Social Media“ vor. Das ist eine WordPress-Erweiterung, die alle Aktionen des Nutzers auf Social Media-Plattformen (vom „Gefällt mir“ auf Facebook bis zum „Pinterest“-Foto) auf dem eigenen Blog spiegelt.

re:publica 2013

ARD und ZDF: Mehr Transparenz und Flexibilität gefordert

Was wird aus dem Buch, dem Radio und dem Fernsehen in der digitalen Welt? Das Thema Medienwandel wurde heiß debattiert. Dabei nahm auch die Diskussion um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen einen breiten Raum ein. Die Forderung: ARD und ZDF müssten flexibler und transparenter werden. Der Darmstädter Journalistik-Professor Lorenz Lorenz-Meyer kritisierte die „byzantinischen Entscheidungsstrukturen“ in den Anstalten und forderte die Öffentlich-Rechtlichen auf, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, anstatt sich an der privaten Konkurrenz zu orientieren.

ARD und ZDF sollten offener sein für interessierte Bürgerinnen und Bürger und Weiterbildungsangebote nach dem Vorbild der BBC-Academy bieten. Und: Es solle eine Online-Datenbank geschaffen werden, die alle Inhalte und Informationen der Sender in einer strukturierten Form enthalten solle. Jeder Internetnutzer solle die Möglichkeit erhalten, diese Daten abzufragen.

In eine ähnliche Richtung geht auch die Initiative des Datenjournalisten Lorenz Matzat. Die Arbeitsgruppe „Open ARD ZDF“ möchte mehr Transparenz schaffen – nicht nur was den Umgang mit den Rundfunkbeiträgen angeht. Die Hälfte der Teilnehmer bei einem ersten Treffen zu dem Thema auf der re:publica waren Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen – viele von ihnen begrüßten die Initiative. Ein erstes Projekt könnte sein, darzustellen, wie viele Programmminuten durch die „Depublizierungsvorgaben“ der Rundfunkstaatsverträge jeden Tag für die Nutzer verloren gehen. Diskutiert wird in Zukunft über die Mailingliste und ein Etherpad, zudem gibt es ein Wiki.

Weitere Projekte der Öffentlich-Rechtlichen auf der re:publica:

Und sonst?

Das Internet hat jetzt ein Logo. Und, ach ja, passend zur Katerstimmung wurde natürlich auch über Katzencontent gesprochen…

Update: OpenDataCity hat die Bewegungen der TeilnehmerInnen anhnd der MAC-Adressen visualisiert:

Zur re:log-Website. Realisiert von OpenDataCity. Unterstützt durch picocell und newthinking. Anwendung steht unter CC-BY 3.0.

Kommentare sind geschlossen.