DONNERSTAG, 23. März 2023
FRANKFURT | HESSISCHER RUNDFUNK
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Journalismusforum 2023: „Eigentlich müsste jeder ein Klimajournalist sein“

Klimajournalismus ist eine wichtige Aufgabe für alle Journalist*innen – aus Sicht der Referent*innen die aktuell wichtigste überhaupt. Der Grund: die mangelnde verbleibende Zeit, um noch wirksame Korrekturen für den Klimaschutz vornehmen zu können.

Auf dem Journalismusforum 2023 „Nachhaltig über Nachhaltiges berichten“ (#jf23) der ARD.ZDF medienakademie reden Referent*innen und die Gäste auf dem Podium Klartext: „Wenn man jedem, der ein Kilo Billigfleisch im Supermarkt kauft, einen Zwanziglitereimer Gülle mit aushändigen würde und sagt: Den haben sie mit verursacht“, würden die Menschen aus Sicht von Dr. Eckart von Hirschhausen vielleicht eher ihr Verhalten ändern. Und erinnert daran: „Jedes Fieberthermometer auf diesem Planeten endet bei 42 Grad. Bei dieser Temperatur denaturieren Proteine; ein Ei wird hart.  Wir können uns nicht an Dinge anpassen, die gegen unsere Biologie sind.“

Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts

Hirschhausen und Frank Böttcher, Autor, Redner und Chef der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft sind sich einig: „Das Teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts.“ Böttcher zeigt die Relation von Klima-Schutzkosten und Klima-Anpassungskosten. Letztere fallen mit fortschreitendem Zögern immer höher aus und lassen so weniger Spielraum für Klimaschutz – eine Negativ-Spirale.

Böttcher erläutert den rund 140 Teilnehmer*innen: „Schon das 1,5-Grad-Ziel ist alles andere als harmlos – und 3 Grad hießen: zurück ins Pliozän vor 3 Mrd. Jahren mit einem 20 Meter höheren Meeresspiegel.“ Bei 1,5 Grad läge er „nur“ 10 Meter höher. Wichtig sei es aus seiner Sicht, den Fake News in Sachen Klima den Kampf anzusagen: „Wenn Fake News auftauchen: Lasst uns das in die Medien holen und offenlegen“, fordert er.

Redaktionen müssen sich fortbilden und Ressourcen schaffen

Der Klimajournalismus habe in den vergangenen Jahren aus Sicht von Dr. Susanne Götze, Spiegel-Redakteurin und Buchautorin, bereits Fortschritte gemacht und sei besser etabliert, aber: „Ich würde mir ein paar mehr Kollegen wünschen, die mir dabei helfen, den riesigen Berg an Themen abzuarbeiten.“ Das sieht Sara Schurmann, Klimajournalistin und Mitgründerin des Netzwerks Klimajournalismus, auch so: „Strukturelle Probleme müssen strukturell gelöst werden. Redaktionen müssen sich fortbilden und müssen Ressourcen schaffen.“

Daniel Bouhs, Redakteur beim SWR, sagt: „Eigentlich müsste jeder ein Klimajournalist sein.“ Jürgen Döschner, Fachjournalist zu Klima und Investigatives beim WDR, möchte das Wort „Klimajournalist“ durch das Wort „Überlebensjournalist“ ausgetauscht sehen. Er fordert mehr Rückgrat von Medien-Führungskräften, denn es sei fatal, die Berichterstattung an der Angst vor Shitstorms oder bösen Briefen von Energieversorgern auszurichten. Allen Sprechern ist der schmale Grat zwischen Journalismus und Aktivismus bewusst. Diskussionsteilnehmer Raphael Thelen hat sein Journalist-Sein deshalb aufgegeben und ist nun Aktivist.

Gabriele Holzner, Programmdirektorin beim Hessischer Rundfunk (Gastgeber des #jf23), erläutert, dass die ARD derzeit intensiv über die Frage diskutiere: Wie viel mehr müsse die ARD machen, auf dem „Klima“ steht? Und wie müsse das aussehen, um die Menschen mitzunehmen und nicht abzuschrecken. „Wir prüfen gerade, wie wir ein ARD-Kompetenzzentrum Klima aufbauen können.“

Text: Martina Lenk

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