Das Wo-LAN

Es gibt Fragen, die sind einfach verpönt: Stell Dir vor, Du stehst auf dem Event für Mobilkommunikation und dich quält eine ganz triviale Frage: Wie soll dieser ganze Schnickschnack, der hier auf einem Messegelände am Rande von Barcelona präsentiert wird, gleichzeitig Surfen, Twittern und Youtuben können, welches Netz soll diesen Gerätepark mit Echtzeit-Infos und ruckelfreien Bildern beliefern?

Die Reklame an der Metro-Station Plaça Espanya empfahl heute morgen den „tarifa del pueblo“, ein Gigabyte Mobilfunk im Monat für vier Euro fünfzig. Günstig, nur wie geht das technisch? Mit Femto-Zellen sollen zukünftig auch Messegelände und Volksfeste zuverlässig ins Netz können. Mag ja sein. Nur sei doch gleich noch eine zweite, geradezu ketzerische Frage erlaubt: Geht’s nicht eigentlich auch „ohne“? Ohne die UMTS- und LTE-Angebote der Magenta-, Knallrot- oder Tiefseeblau-Firmen?

Mobil ohne Mobilfunk?

„WiFi“ zwitschern die Vögel da von den Dächern, nicht nur hier in der zweitgrößten spanischen Metropole: Bei der Anreise machten wir einen kleinen Abstecher in abgelegene Pyrenäentäler, immer wieder fanden wir offenes WLAN: am Rathaus eines kleinen Dorfes, in Cafes, auf in der Pension. Ob solch paradiesische Netz-Zustände auch in der Bundesrepublik Deutschland Einzug halten könnten?

zona wi-fi

Foto: Andreas Klug

Schon eine ganze Weile bietet die Telekom ihren Kunden einen Deal an: Man öffnet sein Netz mit einem speziellen Router für andere am Haus vorbeiflanierende Telekom-Kunden – und darf im Gegenzug bei allen anderen Telekom-Hotspots kostenlos surfen. In Berlin geht man einen Schritt weiter: Ein riesiges mesh network schwebt dem Senat in der Hauptstadt vor, „WLAN für alle“, nicht nur für Kunden einer bestimmten Netzfirma. Straßenlaternen zu Sendemasten könnte man das Projekt vielleicht nennen. Das Projekt ist in der Testphase, ein Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, Reklametafeln in der Stadt anzubringen, installiert derzeit Sendetechnik. „Mehr als 22.000 Apps zur kostenlosen Registrierung sind bisher heruntergeladen worden“, sagt Pressesprecherin Valeria Bank von der Wall AG. Im Gegensatz zum wirklich offenen WLAN im verschneiten Pyrenäendorf muss ich aber auch hier registrierter Kunde sein, wenn auch ohne Kosten.

Freifunk

Einen Schritt weiter gehen da die Freifunker: Freies Netz für freie Bürger ist ihre Vision, alle Mitglieder gemeinsam bilden eine riesige Datenwolke, wer egalwo ins Netz will tut’s einfach. Die Technik ist längst vorhanden, allein: In Deutschland gibt’s die sogenannte „Störerhaftung“. Zwar regte die Große Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus letztes Frühjahr eine Änderung der Rechtslage an, der Gesetzentwurf wurde jedoch von der Bundesregierung vor wenigen Tagen abgewiesen, nun werden Gerichte entscheiden müssen. „Wir brauchen die Hilfe europäischer Nachbarn, um die Auswüchse deutscher Sonderwege in den Griff zu bekommen“, sagt hierzu Netzreporter Tobias Lenartz von DRadio Wissen. Und in der Tat nimmt die Rechtsprechung hierzulande eine Spitzenposition ein, was die Gängelung von Internet-Usern angeht: Wirft jemand über mein WLAN problematische Datenpakete ins Netz, dann bin ich dran. Ist aber die deutsche Briefpost dran als Betreiberin eines gelben Kastens, wenn dort jemand einen Erpresserbrief einwirft? Die Folge: In der Bundesrepublik Deutschland sind WLANs gesichert wie militärische Hochsicherheitstrakte. Gewinner sind die Netzzugangs-Firmen, ob mobil, DSL oder Breitbandkabel: Von jeder Single-Wohnung wird einzeln kassiert.

Eine pfiffige Idee kommt nun – unter anderem – aus Hamburg: Dort versuchen die Freifunker, ihr Netz immer enger zu knüpfen, appellieren an das Verantwortungsbewußtsein der Nutzer, helfen sich im Falle von Rechtsstreits gegenseitig – ähnlich wie die Freifunkergruppe Rheinland. Besonderheit: Sie bedienen sich der genannten Hilfe der liberalen Nachbarn: Der juristischen great firewall in Deutschland wird ein Schnippchen geschlagen, in dem der gesamte Datenverkehr über verschlüsselte (VPN-)Verbindungen zu Knoten nach Schweden und Niederlande und von dort erst ins Internet geroutet wird. Der Freifunker stellt zu Hause die „Freedom-Fighter-Box“ auf, einen speziellen Router, von dem mehrere hundert Stück von einem Netzwerkausstatter gespendet wurden; einhundert VPN-Zugänge stellt ein schwedischer Internetprovider zur Verfügung.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Internet-Nutzer/-innen hierzulande verdreifacht, sagt die ARD-ZDF-onlinestudie. Wenn all diese Menschen ihre Fritzboxen zu einer großen Freifunker-Wolke machten, könnten alle überall kostenlos und ruckelfrei ins Netz. Nur die SMS vom verschneiten Berggipfel: Die müssten wir dann doch noch per Mobilfunk senden. Bis auf Weiteres.

3 Kommentare zu „Das Wo-LAN

  1. banänsche schrieb am :

    Rechtschreibfehler Zeile 19: …ein Unternehmen, DAS darauf spezialisiert ist… Zeile 32: …eine (ohne „n“) Spitzenposition
    sorry für die Spitzfindigkeiten.
    den teil zu „mobil ohne mobilfunk“ (und ohne kosten) finde ich besonders spannend.

    • osc schrieb am :

      > Sorry für Spitzfindigkeiten.
      nee, danke, basst scho!
      hab’s korrigiert.